Die Kunst der Unterwanderung
Von Alten Meistern zur Kritik der Gegenwart: Verena Landau
Mythos Leipziger Malerschule: Nicht von ihr zu sprechen, scheint in der
Kunstwelt derzeit kaum möglich. Etwas wirklich Sinnvolles über sie zu sagen,
scheitert meist ebenfalls. Einen hübschen Versuch unternahm neulich Elke Buhr in
der Frankfurter Rundschau: "Mit einigen Jahrzehnten Coca Cola und Popkultur
weniger auf dem Buckel als die Kollegen aus dem Westen und dafür um so mehr
Deutsch-Appeal" seien die jungen Maler aus Leipzig" Sieger in Sachen leicht
verkäuflicher "Germanness", schrieb die Kritikerin.
Klingt gut, hat aber mindestens einen dicken Schönheitsfehler: Viele der unter
dem Label Neue Leipziger Schule gehandelten Maler sind sehr wohl Zöglinge
westlicher Konsumkultur und erst zum Studium in den Osten gekommen. Obwohl sie
von derselben Akademie stammen und figürlich malen, lehnen sie es ab, einer
"Schule" anzugehören. "Deutsch-Appeal"? Verena Landau, die neuerdings auch unter
dem Label Leipziger Schule gehandelt wird, fuhr 1989 nach Italien mit dem
Vorsatz, nie zurückzukehren.
Geboren ist sie 1965 in Düsseldorf. Von den Absolventen der dortigen Akademie
schätzte sie in den 80ern am ehesten Punkplattencover, Beuys imponierte ihr
vorrangig als Grüner. Nach einer Buchbinderlehre verkaufte sie, was sie besaß,
und brach mit 6000 Mark nach Florenz auf. Erstes Ziel: Italienisch lernen ohne
deutschen Akzent. Eine Ausstellung im Palazzo Pitti geriet zum
Schlüsselerlebnis. So malen können wie die Alter Meister wollte sie auch.
Aufgewachsen mit Kunst, hat sie stets viel gezeichnet. Nur fehlte ihr damals die
Technik, innere und äußere Wirklichkeit adäquat abbilden zu können. In Florenz
suchte sie sich eine Schule, die lehrte, realistisch zu malen. Drei Jahre
verbrachte sie in den "Charles Cecil Studios", freute sich, unter
Gleichgesinnten zu sein, und lebte davon,
"Contessas und so was" zu porträtieren. Dann geschah, womit sie nicht gerechnet
hatte. "Wenn ich deutsche Wörter hörte, wurde ich rührselig." Sie erfuhr, dass
an der Leipziger Akademie Figuration noch ernst genommen wurde. Ab 1994
studierte sie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst.
Ihr Interesse verlagerte sich vom Porträt hin zum Raum. Von Professorin Doris
Ziegler ließ sie sich für Plagwitz begeistern, steuerte aufs Diplom 1999 bei
Arno Rink zu. Nur besaß Malerei an der HGB nicht mehr den Stellenwert, wegen dem
sie gekommen war. Ruedi Baur hatte 1997 das Rektorat übernommen, "machte gezielt
Lobbyarbeit für Designer". Als die Maler die Ateliers räumen sollten, die sie
gerade erst bezogen hatten, ergriffen Verena Landau und Miriam Vlaming
Gegenmaßnahmen. Sie bepinselten die Akademiewände mit "Pro-Maierei-Sprüchen".
Baur war sauer, Landau und Vlaming auch. Sie suchten sich ein eigenes Atelier,
im ehemaligen Umspannwerk am Floßplatz. Ein Bau, der die aus Florenz Gekommene
an kleine italienische Kirchen erinnerte.
Ihr Diplom "Pasolini-Stills" griff die Gegebenheiten des Raumes auf. Die
Leinwand trat in den Dialog mit der Architektur, schien die Perspektive zu
weiten, griff markante Elemente auf. Seither kreisen Landaus Werke um Innen und
Außen, Begrenzung, Überschreitung, Bild im Bild. Später begann sie, ihre
entäußerten Arbeiten, denen Filmstills als Vorbild dienten, zu besuchen, und
eignete sie sich samt der neuen Umgebung wieder an, indem sie Nachbilder
anfertigte.
Zeitgenössische Kunst ist für Banken und Konzerne zum Image-Faktor geworden.
Manager und Vorstände sonnen sich in Innovation, demonstrieren Geschmack, geben
den Gönner. Dabei sind die Grenzen zwischen musealem und Wirtschaftsraum
mitnichten immer klar. Ein Thema, dem die Malerin 2004 in "Diskretionsbereich"
im Kunstverein nachging.
Anfang 2005 beteiligte sie sich mit einem "Feindbild-Verleih" an einem Projekt
des Leipziger Kreises. Um "Feindbilder" aus der Nähe zu betrachten, besuchte sie
kürzlich Hauptversammlungen von DaimlerChrysler und der Deutschen Bank.
Eingeladen hatten sie die "Kritischen Aktionäre", ein Verein, der Dinge
anspricht, die den gemeinen Börsenspekulanten nicht interessieren:
Menschenrechtsverletzungen, Umweltzerstörung, soziale Verantwortung. Wieder geht
es um Innen und Außen, um Zwischenräume, Grenzen und ihre Unterwanderung.
Arbeiten aus "Diskretionsbereich" sind noch bis 23. Juli in der Ausstellung
"[update.05]" in der Galerie Gmyrek, Düsseldorf, zu sehen. Auch die ersten
Leinwände mit Impressionen aus dem Umfeld der Aktionärstreffen sind bereits
gefüllt.
Hendrik Pupat