Verena Landau:

Waiting for Stars

von Frank Schulz

In der Malerei von Verena Landau begegnen wir verschiedenen Werkgruppen, mit denen sie sich mit dem Verhältnis von urbanem, sozialen Raum, Individuum und Gruppe und entsprechenden Grenzziehungen und -auflösungen auseinandersetzt. Es geht ihr offenbar um Räume, die sich durch Abwesenheit oder Anwesenheit des Sozialen kennzeichnen lassen. Die Beziehungen zwischen Individuum und Gruppe - ob in der Realität oder in gespielten Situationen, etwa im Film - sind ein damit verbundenes Problemfeld ihrer künstlerischen Forschung. Als scharfe und einfühlsame Beobachterin dieser verschiedenen Systeme sozialen Verhaltens und deren Wiederspiegelungen ist sie Außenstehende, zugleich aber als soziales Wesen selbst Teil der systematischen Zusammenhänge, die sie beobachtet: So gewinnt sie Innen- und Außensichten gleichermaßen und lässt uns daran teilhaben. Ihre kontemplative gegenständliche Malweise trägt in besonderer Weise dazu bei, dass sich die entstehenden Bildwelten von der Realität in einer Art unterscheiden, als würden wir sie in distanziert-beruhigtem Zustand von anderen Ebenen aus wahrnehmen.

In der Werkgruppe „Waiting for Stars“ warten größere und kleinere, zufällig zustande gekommene Menschengruppen mehr oder weniger gespannt auf Kommendes, Veränderungen und Ereignisse. Das, was erwartet wird, lässt aber im wörtlichen Sinne auf sich warten. Die Menschen passen sich dieser Situation förmlich an, nehmen entsprechene Haltungen an, wirken - wie es Landau selbst formuliert - „wie eingefroren, indem sie auf Flächen starren, die einen Raum simulieren“.

In „Waiting for Stars 02“ betrachten junge Ausstellungsbesucher im Museum of Modern Art New York ein »digital painting« von Jeremy Blake und warten auf den bildimmanenten Wechsel der Erscheinung. „Ich war von der Arbeit Blakes fasziniert, da sich das Bild permanent veränderte, von einem Sternenhimmel über quadratische Pixel in eine Farbfeldmalerei und zurück. Diese Wirkung habe ich aus der digitalen Fläche in den Raum übertragen. Ich selbst spiegle mich in der Verglasung, während ich junge Menschen bei ihrer Wahrnehmung von Kunst wahrnehme (und sie mich). Dabei musste ich an Dan Grahams Definition eines Paradigmas konzeptueller Kunst denken: Intersubjektivität. Mir wurde erst später bewusst, wieviel dieses Bild mit meiner Situation als Lehrende am Institut zu tun hat.“

Eine eher gelangweilte, aber Geduld austrahlende Menschengruppe wartet in „Waiting for Stars 03“ auf dem Marktplatz von Timisoara in Rumänien auf das Erscheinen des britischen Reggae-Musiker Ali Campbell. Die Situation wird überlagert durch Ereignisse am selben Ort zu einer anderen Zeit: Hier wie in vielen anderen rumänischen Städten wurden 1989 ungeduldig handelnde Demonstranten in blutige Kämpfe verstrickt, die schließlich zum Sturz des rumänischen Diktators Nicolae Ceaușescus führten.

„Waiting for Stars 04“ zeigt eine Situation auf dem Flughafen Marco Polo in Venedig. Für die auf die flugtechnische Abfertigung Wartenden sind in erster Linie Informationen zu den Abflugzeiten von Interesse; diese jedoch werden förmlich überdeckt durch überdimensionale sexistische Werbetafeln. Landau hat außerdem noch einen versteckten Hinweis auf Bestrebungen zur militärischen Umnutzung von Flughäfen im Bild untergebracht: Die kleinen Schaltermonitore zeigen ein Kriegsflugzeug mit amerikanischen Fallschirmspringern - etwas, was nur für die Wartenden in der von der Künstlerin geschaffenen Bildwelt existent ist.

Die Werkgruppe „Wound Up“ weist die Besonderheit auf, dass die einzelnen kleinformatigen Werke als Elemente einer Wandinstallation zueinander in Beziehung zu setzen sind. Jede Arbeit wirkt für sich, bildet aber zugleich mit allen anderen ein äußerst komplexes Aussagegeflecht. Das funktioniert, weil die die Einzelwerke unterschiedliche Stränge aus dem Schaffen Landaus aufgreifen und weiterführen: soziale Absenz und Präsenz, Individuum und Gruppe, Realität und Inszenierung, Alltag und Außergewöhnliches. Eine assoziative Bildsammlung war hier der Ausgangspunkt der Gestaltung.

Wir sehen Grüppchen von Kindern auf dem Schulhof einer Grundschule im Leipziger Osten und Arbeitslose auf dem ebenfalls im Leipziger Osten befindlichen Otto-Runki-Platz - die einen mögen so verloren wie die anderen wirken, aber sie bilden erkennbare Gemeinschaften, Peer-Groups. Diese alltäglichen Bildmotive werden konfrontiert mit Arbeiten, die studentische Ausnahmesituationen zeigt: eine fiktive aus Michelangelo Antonionis Film „Zabriskie Point“, in der die Besetzung des Verwaltungsgebäudes der Universität von Los Angeles geplant wird, und eine reale von einem Sitzstreik auf dem Leipziger Augustusplatz. Die Gestaltung solcher Szenen ist für Landau immer auch eine Frage der Abstraktion: „Welchen Rhythmus von Verdichtung und Vereinzelung brauchen funktionierende Gemeinschaften?“

aus: »Spektrum«, Katalog zur gleichnamigen Dozentenausstellung des Instituts für Kunstpädagogik im Neuen Augusteum der Universität Leipzig, 2013